News
In der medizinischen Forschung und Wissenschaft werden laufend neue Erkenntnisse veröffentlicht. Unter der Rubrik «News» fassen wir für unsere Patienten regelmässig aktuelle und hilfreiche Neuigkeiten aus dem Fachbereich Gastroenterologie zusammen.
Magensäureblocker: Gedankenlos geschluckt
NZZ am Sonntag, von Gerlinde Felix, 13. 3. 16
Magensäureblocker werden sehr häufig verordnet. Bei jahrelanger Einnahme können die Medikamente die Nieren schädigen.
Bei Patienten mit mittleren bis starken Reflux-Beschwerden können die Säureblocker Linderung bringen. Lange Zeit galten sie als völlig harmlos. Dann gab es erste Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen. Nun zeigt eine Studie, dass sie bei einer jahrelangen Einnahme die Niere schädigen können. Die Rede ist von Säureblockern, auch Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) genannt, einem der am meisten verordneten Medikamente.
Sodbrennen und ein starker Rückfluss von säurehaltigem Mageninhalt in die Speiseröhre kann sehr unangenehm sein und Schmerzen hinterm Brustbein verursachen. Viele der Betroffenen erhalten bei Reflux, wie die Mediziner die Beschwerden bezeichnen, PPI verordnet. Diese Arzneien binden sich selektiv an bestimmte Zellen des Magens und unterdrücken dort die Produktion von Salzsäure. «PPI wirken nur auf die Belegzellen ein. Es gibt also so gut wie keine systemischen, das heisst den ganzen Organismus betreffenden Effekte», sagt der Gastroenterologe Michael Fried, Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universität Zürich. Lange hielt man die PPI deshalb für eines der sichersten Medikamente. «Aber inzwischen wissen wir, dass bei einer längeren Einnahme Probleme auftreten können», so Fried.
Zu oft und zu lange verschrieben: Bei einer Langzeittherapie mit Magensäureblockern kann der Körper schlechter Magnesium und Kalzium sowie das Vitamin B12 aus der Nahrung aufnehmen. Damit erhöht sich das Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche. Und B12 fehlt für wichtige Stoffwechselprozesse. Im weniger sauren Magen überleben zudem Bakterien besser – schwerwiegende Magen-Darm-Infektionen mit Keimen wie Clostridium difficile können die Folge sein.
Und jetzt zeigt eine Studie, dass bei einer langjährigen PPI-Anwendung auch vermehrt eine chronische Niereninsuffizienz beobachtet wird («Jama Internal Medicine», Bd. 176, S. 238). «Die Studie ist gut gemacht», sagt Michael Fischereder, Leiter der Nephrologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zwei grosse Patientenkollektive wurden durchschnittlich 14 Jahre lang beobachtet und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Das Ergebnis: Eine Einnahme während mehr als 10 Jahren erhöht das Risiko für chronische Niereninsuffizienz um 13 bis 45 Prozent. Je höher die Dosis, umso grösser das Risiko für Nierenschäden. Wer zwei PPI-Pillen täglich schluckt, hat ein höheres Risiko als bei nur einer PPI-Tablette.
Bereits nach 14-tägiger Einnahme kann sich die Niere akut entzünden. «Möglicherweise entwickelt sich später daraus bei Einnahme über Jahre eine chronische Nierenerkrankung», sagt Fischereder. «Das ist aber erst Spekulation.» Die epidemiologische Studie könne einen ursächlichen Zusammenhang nicht beweisen.
Die Zahl der Personen, die diese Arzneien einnehmen, ist laut Fried in Deutschland und der Schweiz in den letzten zehn Jahren gestiegen. «Viel zu viele Menschen nehmen unnötigerweise PPI ein, sogar bereits Kinder», sagt Fried. «Sie werden zu oft und häufig zu lange verschrieben.»
Die Medikamente sind für Patienten mit mittleren bis starken Reflux-Beschwerden und mit Geschwüren im Magen- und im Dünndarmbereich sinnvoll. Auch bei Patienten, die über längere Zeit hochdosierte nichtsteroidale Antirheumatika einnehmen müssen, sind die PPI als Prophylaxe geeignet, ebenso zur Abheilung von Läsionen in der Speiseröhre und bei Magenblutungen. Bei einem Reizmagen hingegen helfen PPI nur bei 10 bis 15 Prozent der Patienten und bei einem Reizdarm gar nicht.
Fried hält die Medikamente nach wie vor für relativ sicher. Wichtig sei, sie immer langsam auszuschleichen. Wenn zum Beispiel Menschen mit nur leichten Reflux-Beschwerden PPI einnehmen, wird nach deren abruptem Absetzen aufgrund eines Feedback-Mechanismus die Säuresekretion des Magens gesteigert. Die Folge: Sodbrennen. Dieser Rebound-Effekt tritt bereits nach achtwöchiger PPI-Einnahme auf.
Bei 30 bis 40 Prozent der Patienten wirken PPI jedoch gar nicht. Welche Möglichkeiten gibt es für diese Patienten? In den Apotheken sind rezeptfrei Aluminium-haltige und Kalziumkarbonat-haltige Antazida, Alginate und H2-Blocker erhältlich. Zu den nichtmedikamentösen Alternativen zählen die sogenannte Fundoplicatio sowie die neuere Schrittmachermethode Endostim.
Chirurgischer Eingriff
Die Fundoplicatio ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem der obere Magenabschnitt quasi als Manschette um die untere Speiseröhre gelegt wird, um so den Rückfluss der Magensäure in die Speiseröhre zu reduzieren. «Die Fundoplicatio ist aber nur selten eine Alternative zu den PPI, denn bei etwa einem Drittel der Operierten treten hinterher Schluckbeschwerden und Schwierigkeiten auf, Luft aus dem Magen aufzustossen», sagt Fried. Bei dem noch nicht ganz etablierten Verfahren Endostim stimuliert und trainiert ein von aussen programmierbarer Schrittmacher über zwei eingebrachte Elektroden den unteren Schliessmuskel am Übergang zwischen Magen und Speiseröhre elektrisch. Durch dieses Training wird der Ruhetonus des Schliessmuskels, der bei vielen Reflux-Patienten zu niedrig ist, erhöht.
In vielen Fällen führt aber kein Weg an einer kürzeren oder längeren Einnahme der Protonenpumpen-Inhibitoren vorbei. «Das ist überhaupt kein Problem», sagt Fried, «wenn man sie richtig einsetzt und angemessen dosiert.»
Zöliakie: Schwierige Diagnose
NZZ am Sonntag, von Annegret Czernotta, 24. 5. 15
Durchschnittlich sieben Jahre vergehen, bis eine Zöliakie entdeckt wird. Frauen müssen länger warten als Männer.
Durchfall, Gewichtsverlust, und Eisenmangel sind die klassischen Symptome einer Zöliakie, der Unverträglichkeit des Dünndarms gegenüber Gluten. Wird das Kleber-Eiweiss, das in Getreidesorten wie Weizen, Dinkel und Roggen oder Hafer vorkommt, zu Nahrungsmitteln wie z.B. Pasta und Brot verarbeitet, fangen die Beschwerden nach dem Verzehr an.
Laut Stephan Vavricka, Abteilungsleiter der Gastroenterologie am Stadtspital Triemli, dauert es im Schnitt 7 Jahre bis zur Diagnosestellung. Bei Frauen wird die Diagnose im Schnitt deutlich später als bei Männer gestellt. Die Ergebnisse hat Vavricka einem Fragebogen entnommen, der im vergangenen Herbst im „Zöliakie-Info“ erschienen ist. Das Magazin ist eine Publikation der Interessengemeinschaft Zöliakie. Auf vier Seiten konnten Betroffene auf freiwilliger Basis Auskunft geben zu Gewicht, Grösse, Bildungsstand, Beschwerden, Diagnostik, Krankheitsverlauf und Therapie. Der hohe Rücklauf hat Vavricka sehr überrascht.
Häufig wird fälschlicherweise die Diagnose Reizdarm gestellt. Denn trotz klassischen Symptomen leiden eine Vielzahl der Betroffenen und insbesondere Frauen auch an selteren Symptomen wie Schwäche, Übelkeit, Wassereinlagerungen, Blähungen oder gar Verstopfung. Leicht zu nehmen sind die Zöliakie- bedingten Probleme jedoch nicht. Durch die Gluten- Unverträglichkeit nimmt der Dünndarm wichtige Nährstoffe nicht auf. Die Folgen können eine Osteoporose sein oder Blutarmut. Deshalb ist es wichtig, dass die Patienten frühzeitig die richtige Diagnose erhalten. Dazu gehört im ersten Schritt ein Bluttest, der spezifische Zöliakie-Antikörper nachweist. Zu diesen zählen beispielsweise Anti-Tissue-Transglutaminase IgA und IgG. Als Goldstandard gilt heute indes die Bestätigung des Blutergebnisses durch Gewebeproben aus den oberen Dünndarmabschnitten, welche im Rahmen einer Magenspiegelung entnommenen werden. Die Gewebeproben aus dem Dünndarm, werden histologisch auf Zöliakie bedingte Schleimhautveränderungen untersucht.
“Vorsicht“ ist allerdings bei Blut- Selbsttests in Apotheken oder im Einzelhandel geboten. Die Tests sind zwar zuverlässig, aber wenn sie negativ ausfallen, heisst das nicht, dass keine Zöliakie vorliegt. Sicherer und untereinander in der Qualität vergleichbar sind die Bluttests in der ärztlichen Praxis. Sie messen auch die quantitative Menge an Zöliakie -relevanten Antikörpern. Im Vergleich dazu geben Selbsttests nur die Antwort Ja (positiv) oder Nein (negativ).
Warum bis zur Diagnose bei Frauen mehr Zeit verstreicht, erklärt der Gastroenterologe damit, dass Männer zumeist nur bei typischen Symptomen zum Arzt gehen. Frauen hingegen geben häufig auch unspezifische Symptome an, wie z.B. Blähungen und eine chronische Müdigkeit. Und zudem wird das klassische Symptom des Eisenmangels mit der Menstruation erklärt und nicht mit einer Stoffwechselstörung.
Spezialisten raten davon ab, ohne eine Diagnose eine glutenfreie Diät aufzunehmen.
Wenn man mit der Familie oder Freunden esse, ist eine strikte glutenfreie Diät ein grosser Einschnitt, zudem bringt es keinerlei gesundheitlichen Vorteil und ist teuer.
Ob es Patienten gibt, bei denen der Konsum von Gluten zu ähnlichen Symptomen führt, ohne das Komplikationen wie z.B. Eisenmangel, oder Osteoporose auftreten ist umstritten. Betroffene können bei dieser Form eine glutenfreie Diät beginnen und sich weiterhin so ernähren wenn eine Besserung spürbar ist. Bei einigen Menschen können aber auch nicht verdaute Kohlenhydrate zur Gasbildung im Darm führen.
Ob es Patienten gibt, bei denen der Konsum von Gluten zu ähnlichen Symptomen führt, ohne das Komplikationen wie z.B. Eisenmangel, oder Osteoporose auftreten ist umstritten. Betroffene können bei dieser Form eine glutenfreie Diät beginnen und sich weiterhin so ernähren wenn eine Besserung spürbar ist. Bei einigen Menschen können aber auch nicht verdaute Kohlenhydrate zur Gasbildung im Darm führen.
Bestätigung mittels Bluttests und Biopsie
Bei der Zöliakie reagieren Betroffene mit Durchfall, Gewichtsverlust und Eisenmangel auf Gluten. Magenkrämpfe, Blähungen, Übelkeit oder Schwäche sind weitere mögliche Symptome. Die Gluten freie Diät führt meist zu einer sofortigen Verbesserung der Beschwerden. Die Diagnose einer Zöliakie sollte immer mittels einem Bluttest und einer Magenspiegelung mit Biopsie erfolgen. Denn auch Tumore oder entzündliche Darmerkrankungen können ähnliche Symptome auslösen.